Wir sind zurück von unserem Familienfrühstück, meine Wohnung befindet sich im ursprünglichen Zustand, Mareike und Jou sind außer Haus. Sie für einen Besuch bei Nora. Er hilft Moira und Pawati dabei, ihre Schlafzimmer umzuräumen. Und ich, ich habe nichts Besseres zu tun, als zu beenden, was ich gestern begonnen habe.Anzeigen
Wenn ich geahnt hätte, dass dieser kleine Schlingel unsere Konversation drin lässt, hätte ich ihm das Posten des letzten Beitrags wahrscheinlich nicht überlassen.
Sei's drum, ich werde meine Zeit sicherlich nicht damit verschwenden, sie wieder zu löschen. Aus dem einfachen Grund, da ich diese leidige Episode gern hinter mir lassen möchte. Da ich nicht einschätzen kann, wie viel Zeit mir dafür bleibt, beginne ich am besten, ohne weitere Umschweife.
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Nach Charlottes letzter Gesangseinlage benötigten selbst unsere ausdauernden Tänzer eine Verschnaufpause, sodass etwas Ruhe einkehrte. Einige plünderten das Buffet, andere umlagerten die Bar. Alan und ich gingen nach draußen. Lange ungestört blieben wir jedoch nicht.
Kaum wieder im Inneren zwang Alan mich zu einem weiteren Duett. Er entschied sich, getreu der Anzeige im Display, für 'Something Stupid'. In der Coverversion von Robby Williams und Nicole Kidman. Ich wage zu behaupten, dass wir die einzigen waren, die sich noch an die Vorgabe hielten.
Wir waren dermaßen gut, dass Jou uns umgehend wissen ließ, er wolle 'Something Just Like This' (The Chainsmokers & Coldplay). Und da ich es neulich auch getan habe, tauschte er netterweise das She in He.
Sammy und Eve waren der Meinung, er solle sich das nochmal gut überlegen und erklärten ihm mit 'The Drunk Scotsman' (geschrieben von Mike Cross, soweit ich weiß), auch gleich warum.
Btw: Es klingt besser, wenn wir Jungs es zum Besten geben, was hauptsächlich an Alans schottischen Akzent liegt, in den ich für gewöhnlich recht schnell hinein finde.
Es war, wie ‘mein’ Barbie Girl von Aqua, ein Insider und warf ähnliche Fragen auf. Um deren Beantwortung ich glücklicherweise herumkam, denn Alan bestand, höchstwahrscheinlich aus demselben Grund, erneut auf meine Mitwirkung.
Alan entschied sich für 'Does Your Mother Know' von ABBA. Durchaus passend für die kleinen Naseweise.
Der geneigte Leser kann sich vielleicht denken, dass die Mädels dies nicht auf sich sitzen ließen und so kamen wir in den Genuss von Miley Cyrus' 'Flowers'.
Charlotte fand unser kleines Battle zwar zum Schreien komisch, war jedoch der Meinung wir hätten eine Lektion verdient und wählte dafür 'If I Were A Boy'.
Ursprünglich zwar von Beyoncé. Zu Jous großer Freunde allerdings in der Coverversion von G.E.M. (Gloria Tang-Sze-wing). Die es, laut ihm, vor etlichen Jahren in der chinesischen Show 'I am a Singer' vorgetragen hat. Lotta war geradezu entzückt von ihm. Allerdings zu bescheiden, um sein Kompliment gelten zu lassen oder gar anzunehmen.
Wer von den beiden vom jeweils anderen begeisterter war, vermag ich nicht zu sagen. Denn mein Gespräch mit ihr fand ein jähes Ende. (Jou schwärmt allerdings immer noch davon.)
Inzwischen weiß ich, dass Jonah davon überzeugt war, es sei ein Ex-Bashing im Gange. Und die einzige logische Schlussfolgerung war, dass er nun an der Reihe sei. (Er hat mir später vorgeworfen, ich hätte es absichtlich inszeniert. Was absolut lächerlich ist. Doch Logik war noch nie seine Stärke.)
Jou, das kleine Genie, machte seinen Ambitionen den Garaus. Durch ein schlichtes "Switch."
Ich kann nicht genau definieren, woran es lag, vielleicht seine Körpersprache, vielleicht ein ungewohnter Ton in seiner Stimme, was auch immer es war, es versetzte nicht nur mich umgehend in Alarmbereitschaft.
Jonah ließ sich Zeit. Musterte ihn abfällig von oben nach unten und rümpfte die Nase, bevor er ihm seelenruhig, mit höhnischer Stimme erklärte: "So funktioniert das nicht, Kleiner."
Jou, dem eine passende Antwort ins Gesicht geschrieben stand, kam leider nicht dazu, sie an den Mann zu bringen. Denn er ist, wie ich, mit einer überaus fixen Schwester gesegnet.
"Versuchst du gerade einem Japaner zu erklären, wie Karaoke funktioniert?" Es klang durchaus freundlich, doch zugleich auch nachsichtig und leicht spöttisch. Ich muss sagen, durch diese Aktion hat sie bei mir eine Menge Sympathiepunkte hinzugewonnen.
Eve, die mich gemeinsam mit Sammy aus der 'Gefahrenzone' befördert hatte, behauptete: "Sie klingt wie Ted, wenn er mal wieder alles besser weiß." - "Ja, total", stimmte Sammy ihr gleichfalls leicht genervt zu.
Im Gegensatz zu Jou, der, nachdem es Jonah die Sprache verschlagen hatte, Moiras fragenden Blick mit einem deutlich amüsierten: "Scheint so", beantwortete. Die beiden wirkten ziemlich cool, muss ich sagen. Vor allem Jou, der sich lässig abwandte und zu seinem neuen Lieblings-Gadget schlenderte.
"Was auch immer er nimmt, ich will es haben." Eve zupfte an meinem Ärmel, als ich darauf nicht reagierte. "Wie viele dieser Wunderpillen hat er intus?" - "Keine." - “Keine?” - "Er hat's total vergessen vorhin." - "Unglaublich." - "Ich finde, das ist ein durchaus gutes Zeichen." Sie bedachte mich mit ihrem 'du schon wieder-Blick' und wünschte mir: "Best of British, bro."
Ich lächelte nur und wandte meine Aufmerksamkeit erneut Jou zu. Er scheint genau gewusst zu haben, was er singen wollte, denn nur Sekunden später startete die Musik: "Von Jonah für Teddy."
Obwohl ich die Drumline sofort erkannte, dauerte es einen Moment, bis ich begriff, was er vorhatte. Als mir bewusst wurde, was er bezweckte, blieb mir die Luft weg. Ich habe mich selten so hintergangen gefühlt. Verraten und verkauft, von einem Menschen, von dem ich es am wenigsten erwartet hätte. Einem Freund. Meinem Freund, der mit einer Hingabe sang, als hänge sein Leben davon ab.
Es dauerte etwas bis Eve ebenfalls realisierte, was Jou mit 'We Are Young'* zum Ausdruck bringen wollte. Ich spürte ihre Bewegung hinter mir, doch meine Hand griff ins Leere. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, wahrscheinlich, dass sie sich mit ausgefahrenen Krallen auf Jonah stürzen würde, doch auch sie überraschte mich.
"Raus."
Ich habe Eve oft wütend erlebt und weiß, wie ihre Stimme klingt, wenn sie kurz vorm explodieren ist, aber das jagte selbst mir einen kalten Schauer über den Rücken.
Johann war mit einer Geschwindigkeit zur Stelle, die vermuten lässt, er hätte sich mit einem beherzten Sprung über die Bar auf den Weg gemacht.
"Teddy?" Sammys Stimme zitterte, ihre Augen schimmerten verdächtig. "Alles gut, Engelchen. Komm her."
Ich ergriff ihre ausgestreckte Hand und zog sie tröstend an mich. Rosie blickte uns dermaßen verständnislos an, dass ich unwillkürlich lächeln musste.
"Johann?" Ich deutete mit der Nase zum Sofa, als er mich über seine Schulter hinweg ansah. "Mr. Matthews möchte gehen." - "Sehr schön. [...] Bitte hier entlang."
Jonah fiel alles aus dem Gesicht. Ein Zitat von Eve. Mit meinen Worten: Der Ausdruck auf seinem Gesicht wechselte von Hohn zu fassungslosem Staunen.
Alan erhob sich gemächlich aus seinem Sessel. "Kommst du, oder müssen wir dir behilflich sein?" Gewohnt freundlich, doch leicht gelangweilt. Jonah erhob sich in Zeitlupe. Sein Kopf tauscht über Eves Schulter auf. Unsere Blicke trafen sich. "Du wirst das bereuen, babe." Ich legte den Kopf zur Seite, spürte das mein Lächeln sich vertiefte und erwiderte betont sanft: "Gewiss nicht."
Eve wirbelte zu mir herum, als hätte ich eine Obszönität von mir gegeben, die selbst ihr im Traum nicht einfallen würde. Ich zog eine Augenbraue hoch. "Du bist …", ihre Hände fuchtelten kreuz und quer, von oben nach unten durch die Luft vor meinem Körper. "Unglaublich?" Sie hielt inne, sah mir in die Augen. "Sauer." Gut erkannt.
"Teddy? Eve?" Rosie hatte ihre Sprache wiedergefunden. "Was hat das alles zu bedeuten?" - "Oh!" Ich verstärkte meinen Griff instinktiv, als Sammy versuchte, sich aus meinem Arm zu winden. "Ich kann dir genau sagen, was das zu bedeuten hat, Rosie." - "Gesittet", ermahnte ich sie leise. "Wie immer", empört und unisono mit ihrer besten Freundin. Nicht unbedingt ein Versprechen, auf das man sich unter allen Umständen verlassen konnte.
Dennoch gab ich sie frei, denn mir wurde gewahr, dass Jonahs Abgang nicht so glatt vonstattenging, wie er begonnen hatte.
"Wenn ihr mich entschuldigen würdet …", murmelte ich, zog die Hacken zusammen und verbeugte mich knapp. "Oh, shoot." Pfiffiges Kind. "Mistmistmist." - "Was ist denn los? Warum ist Teddy plötzlich so wütend? Eve? Sam?" Die Antworten darauf bekam ich nicht mehr mit.
Es brauchte nicht viel, um Jonah durch die Tür zu befördern. Dank des Überraschungseffekts, denn ich glaube nicht, dass einer von den Dreien damit gerechnet hat, dass ich hinter ihnen auftauchen würde.
Es gab absolut keinen Grund, ihnen hinterherzugehen. (Vor fünf Minuten habe ich mich noch gefreut, dass du wieder zurück bist. Man sieht dir an, dass du das noch weißt. Würdest du bitte verschwinden, damit ich hier endlich fertig werde? Okay, dann erzähle ich dir eben nicht, dass dein Paket angekommen ist. Beim Zoll in San My. Geht doch.)
Gestern, ich weiß nicht, Übermut? Besserwisserei? Was auch immer es war, es wird nicht mehr vorkommen. Denn inzwischen habe ich (tatsächlich) begriffen: no contact means no contact.
Ich werde niemanden damit langweilen, Jonahs Tiraden zu wiederholen. Ich erwähne jedoch gern, dass Jou ihm mit 'Thunder', der Imagine Dragons, einen Gruß hinterherschickte, der ihn ausflippen ließ. Nun, wenigstens hielt er die Mädels im Zaun, denn sie unterstützten ihn mit voller Begeisterung.
Johann schickte mich zurück ins Haus, als Jonah handgreiflich wurde. Was mir, für einen kurzen Moment, die Möglichkeit zum Nachdenken verschaffte. Ein Moment, der ausreichte, um zu einer wichtigen Erkenntnis zu gelangen.
Die Mädchen sahen mich kommen, Jou nicht. Ich muss ein wahrhaft schrecklicher Mensch sein, denn sie wichen zurück, er erschrak ein wenig, als ich neben ihm auftauchte. Ich hielt ihm meine offene Hand hin: "My turn, right?" Jou zögerte. "Ich fände 'Dance Monkey'** jetzt wirklich passend." - "Eddie …" - "Du nicht?" - "Nein." - "Wirklich bedauerlich."
Er zog das Mikro näher an sich heran, überließ es mir jedoch, als ich danach griff. "Eddie, bitte …" Ich beugte mich über das Display und murmelte: "Geh tanzen, Schatz."
Ich könnte jetzt schreiben, man hätte eine Stecknadel fallen hören, doch das einzige, das ich hörte, waren seine gleichmäßig tiefen Atemzüge. Kein gutes Zeichen, doch zum Glück benötigte ich nicht lange, denn das neue Gerät ließ sich ebenso leicht programmieren wie unser altes.
Ich richtete mich auf, sah ihn an und flüsterte: "Vertrau mir, Liebling. Es wird dir garantiert gefallen." - "Okay", viel zu atemlos.
Er drehte sich langsam um, ich hob das Mikro an die Lippen: "Von mir für Jonathan."
Adrenalin ist wirklich eine feine Sache. 'You nailed it' flackerte quasi durchgehend übers Display. Gekoppelt mit dem aufbrausendem Jubel, war ich geneigt, es zu glauben.
Jou nannte es vorhin beim Frühstück ein One-Hit-Wonder. Moira rüffelte ihn augenblicklich. Eve pflichtete ihm jedoch breit grinsend bei.
Wie dem auch sei, den Herren draußen vor der Tür, habe ich mit Elton Johns 'I'm Still Standing' sicherlich keinen Gefallen erwiesen.
Mein Lied "Für Jou" fand ebenfalls bei allen noch Anwesenden großen Anklang. Was, wenn man Lottas Fachwissen vertraut, einzig und allein daran lag, dass ich nicht einmal Ansatzweise versucht habe, in die Nähe des Originals zu gelangen.
Vielleicht lag es auch daran, dass Jou mich an einigen Stellen tatkräftig unterstützte? Wer weiß. Fakt ist: Etwas anderes als 'Simply The Best' von Tina Turner kam einfach nicht infrage. (Rest in Peace, my dear, you were simply the best.)
Gemeinsam mit Jou folgte sogar noch eine Zugabe. Wir wählten 'Sanctuary' von Welshly Arms. Wir sangen die meisten Passagen abwechselnd. Wir haben im Urlaub damit angefangen, als es zufällig im Radio lief.
Seitdem steht es weit oben auf unserer Playlist. Es bedeutet uns sehr viel. Für mich war es eindeutig der Höhepunkt des Abends.
Allerdings noch nicht das Ende der Party, denn es mussten unbedingt noch unzählige Fotos gemacht werden. Selfies in allen erdenklichen Varianten und Kombinationen. Dies ging umgehend an seine Eltern. Sie waren neulich etwas besorgt, als sie von seinem geplanten Umzug erfuhren.
Die ebenso unvermeidlichen Gruppenbilder natürlich auch. Ich wähle hier mal eines, das sehr schön zum Ausdruck bringt, wie uns langsam aber sicher die Geduld ausging. Rosie ließ sich davon, wie immer, herzlich wenig beeindrucken. Ein Umstand, der Jou einmal mehr an unserem Verstand zweifeln ließ.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch erwähnen, dass Rose sich in aller Form für das Betragen ihres Cousins entschuldigte. Zuerst bei Mareike. Später auch bei mir. Sie wusste mittlerweile, dass ihre Einladung nicht verloren ging und auch warum sie nicht auf meiner Gästeliste stand.
Ich hege zwar keinen Groll gegen sie persönlich, habe ihr jedoch recht deutlich klargemacht, dass Jonah in Zukunft in keinem meiner Häuser geduldet wird. Inklusive Sage Estate, obwohl ich nicht mehr dort wohne und gleichgültig, ob ich anwesend bin oder nicht.
Da sie eine enge Freundin von Eve ist, habe ich nichts dagegen, wenn sie weiterhin an unseren Partys teilnimmt. Sollte sie jedoch Jonah mitbringen, oder er gar allein auftauchen, werde ich rechtliche Schritte gegen ihn einleiten. Jou sah es zwar etwas anders, doch ich glaube, ich habe mich deutlich genug ausgedrückt.
Bleibt nur noch zu erwähnen, dass die Party im Großen und Ganzen ein voller Erfolg war.
* Fun ft. Janelle Monáe
** Tones and I
( ღ˘⌣˘ღ)
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